Das Grauen hat einen Namen: Puffreis

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„Hier Mama, probier‘ mal!“ solche Aussagen sind erfahrungsgemäß oft gefährlich, denke ich Zugleich bin ich aber erfreut darüber, dass der Jung meine Kritik vom Vortag angenommen hat und heute scheinbar bereit ist, zu teilen.
So greife ich aus Gründen der Wertschätzung zu. Der Nachbar hat ihm eine Tüte Puff Reis geschenkt.
Ich kenne Puff Reis noch aus meiner Kindheit in den 80ern, greife zu und werfe einige dieser verführerisch bunten Perlen in den Mund…

In meinem Mund zieht sich alles zusammen, ich glaube meine Geschmacksknospen explodieren. Sauer, süß und ekelhaft, irgendwie reizend oder gar ätzend? Ich muss es ausspucken. „Ist das abartig.“ sage ich laut.

Die knalligen Farben dieser Süßigkeit sollten einen Menschen mit Verstand vor dem Kosten bewahren. Über diesen widerlich künstlichen Geschmack hinweg habe ich nun meinen Verstand verloren. Das man sowas legal erwerben darf…

Verstört blickt Max mich an, dann sieht er unsicher in die volle Schale Puff Reis. Dann fragt er:
„Mama, findest du das ekelhaft?“
„Ja, ziemlich. Du isst so viel Obst, mich wundert, dass dir das schmeckt.“ antworte ich.

Er stellt die Schale im Flur ab und geht ins Wohnzimmer.
Am nächsten Tag hab ich seinen Puff Reis entsorgt.

Seien Sie mir nicht böse, aber…

Nach jahrelangem Funktionieren, sowie Raubbau am eigenen Leib, erlitt ich neulich einen Schuss in den Rücken mit den Worten: „Hier hast du den Rest, du Hexe“.
Ganz so war es natürlich nicht. Aber ich fühlte mich so.

Noch nie zuvor war ich bewegungseingeschränkt; zumindest nicht aus krankheitsbedingten Gründen, so erkämpfte ich bei meiner Hausärztin unter schwersten Bedingungen eine Überweisung zur Physiotherapie, die ich stolz in der Praxis meines Vertrauens einlöste. So freudig, als sei es ein Hauptgewinn im Preisausschreiben, falls es sowas noch gibt.
Zu meiner ersten Enttäuschung hatte der Chef keine Termine mehr frei. Nur aufgrund des starken Rückenleidens, welches sich bereits auf meiner Psyche platzierte, ließ ich mich dazu überreden, die Behandlung bei einer seiner Koryphäen in Kauf zu nehmen. Ein vorheriges Gespür ließ mich bereits Ungutes ahnen…
Wie ich bereits beim Arzt erfuhr, habe ich aufgrund des bloßen Jung Seins (dabei bin ich mitteljung) in erster Linie schon mal gar keine ernsthaften Beschwerden zu haben. Sollte ich wider Erwarten auf Anerkennung von Beschwerden stoßen, dann sind sie nicht wirklich ernst zu nehmen und mit Ibuprofen zu behandeln, oder gar psychosomatischer Natur. Anders, wäre ich privat versichert. Ich schweife ab.

Die Tatsache, dass die Therapeutin denselben blöden Vornamen trägt, wie die Ex meines Freundes, sorgt schon für verhaltene Begeisterung, dass sie mich nicht richtig zu Wort kommen ließ, wies realistisch betrachtet zu Konformität mit Frau Dr. aus Rumänien und einem Nachnamen mit 18 selten benutzten nicht merkbaren Buchstaben hin.
So behandelte sie mein Bein zunächst nach Kraftausfall obwohl es bei voller Kraft war. Später wird sich noch herausstellen, dass sie Anhänger sehr einfacher Theorien ist, was die paradoxe Behandlung erklärt…
Da neben den Schmerzen auch die Behandlung schmerzhaft war, sagte ich nichts. Und ich wollte auch nichts hören. Ein für einige Menschen ein offenbar unerträglicher Zustand. Also begann sie zu reden. Der Einfachheit halber nenne ich sie Susi (Ihr Temperament gleicht auch dem einer Transuse).
Es lag ihr offenbar am Herzen, den am Montag zuvor abgesagten Termin zu entschuldigen:„Gestern lag ich den ganzen Tag im Bett; Wärme auf dem Bauch, Schmerztabletten…“(kurze, abwartende Pause) und ich denke nur: Ooh nein, bitte nicht!
„…Immer wenn ich meine Tage kriege, bin ich völlig außer Gefecht, die Schmerzen ziehen überall hin, ich kann dann nur liegen“, klagt sie mit Mitleid erhoffendem Blick.
Periodenschmerz??? Ich konnte mich gestern verdammt nochmal nicht bücken, nicht sitzen, nicht richtig laufen; schwebe seit 7 Tagen auf Ibu durch die Stadt um meinen Kindern Chauffeur zu sein und ihre hungrigen Münder zu stopfen. Zudem würde ich seit zwei Entbindungen nie wieder über lächerlichen Periodenschmerz ohne Geburten klagen…und ihre Probleme interessieren mich absolut gar nicht. Wut rinnt durch meine Adern, weswegen war ich nochmal hier? Ach ja, ich bin Patient. Ich vermeide den Frisörsalon damit ich bei der Physiotherapie unbezahlt die Therapeuthin therapieren kann.
Ich kommentiere mit einem: „Kenne ich“, und gehe davon aus, meine Wortkargheit und mein begrenztes Mitleid halten ihren Wortfluss in Schach. Kurzzeitig war es auch so. Geschätzte 50, gefühlte 5 Sekunden.
„Aber nächste Woche habe ich ja Urlaub“, träumt sie- sich im Spiegel begutachtend und mein Bein unwahrscheinlich aufmerksam massierend – laut vor sich hin. Sehr professionell, denke ich und sage nichts, während ich betreten an die Decke schaue. Bloß nicht mittels Blickkontakt Interesse an diesem nervigen Leben von Susi- aus ich hab vergessen woher-signalisieren.
„Aber in meinem Urlaub muss ich umziehen…(Pause-keine Reaktion Szene
„…Ich ziehe zurück zu meinen Eltern“, fügte sie wenig überzeugt hinzu.
„Oh mein Gott.“ Da hatte sie mich. Wie kann man denn so bescheuert sein? Das sagte ich zwar nicht, aber sie konnte es fühlen:)
„Mhm, ja, ich gehe bald für ein Jahr  nach Australien und dann kann ich noch Miete sparen, hehehe.“
Sie wird dem Chef kein Verlust sein.
„Ja dann ist das ja sinnvoll“, sage ich und schließe was signalisierend die Augen? Richtig. Ich möchte meine Ruhe haben und nicht sprechen.
Sie hat es kapiert.
Wie peinlich.
Wieso ich? Als sei diese körperliche Eingeschränktheit nicht ausreichend, werde ich noch mit generell gern vermiedenem Small Talk beehrt.
An dieser Stelle wird ein freundliches und metaphorisches „Seien Sie mir nicht böse, aber halten Sie bitte ihre Fresse…“  notwendig. Das aber bekomme ich nicht über Herz gebracht, außerdem fällt mir keine verbindliche Floskel ein, die nicht suggeriert, dass das Gequatsche mich total nervt. Letztlich wäre ich peinlich berührt, sie darauf hinweisen zu müssen in ihrem Flow von Ignoranz. Nicht außer Acht zu lassen bei diesem Drahtseilakt des Daraufhinweisens, ist, dass sie mich behandelt und mir mit nur einer Handbewegung locker das Genick brechen könnte, quasi den Hals umdrehen.So dachte ich, das Schließen meiner Augen sei ein gelungener Mittelweg. Die Grauzone sozusagen.

„Samstag war ich beim Frisör…(Pause-keine Reaktion-Szene)…(Pause, Pause, Pause). Sie hört auf mein Bein zu bearbeiten. Zur Hölle verdammt, wann sind diese 25 Minuten vorbei?  Sie zwang mich sie anzusehen. Sodann befreite Susi ihr Haar vom Haarband, schüttelte es während Sie dabei in die Spiegelwand blickte und sich durchs Haar fuhr. „Wenn man sich die Haare abschneiden lässt, fühlen sie sich danach immer viel kürzer an, und dazu noch die andere Farbe…“
„Ja, ich sehe es wohl“, während ich über ihre Wahnsinnstheorie nachdenke und mich frage, ob Sie Hasch geraucht hat. Sie fühlt also auch ihre neue Haarfarbe. Interessant. Mit ihren Hippieklamotten, ihrem langen Ohrring in einem Ohr und diesen ausgelatschten alternativen Schlappen…Ich hätte es an ihrem friedfertigem Gang und den ausgewaschenen weiten Baumwollklamotten erahnen müssen.

Sie befreite mich aus der Stufenlagerung und sagte, sie melde sich wenn neue Termine frei sind…Wie einige Leute es schaffen sich selber zu ertragen bleibt mir ein ___
Die Moral von der Geschicht‘, höfliche Rücksichtnahme lohnt sich nicht.